Geschichte der Ägyptologie in Mainz

1948-1963: Ägyptologie im „Seminar für Orientkunde”

Erstmals nach Kriegsende wurde das Fach Ägyptologie von 1948-1953 von dem dänischen Ägyptologen Wolja ERICHSEN (1890-1966) in Mainz vertreten, der als Honorarprofessor die Sprachstufen Altägyptisch, Demotisch und Koptisch innerhalb des Seminars für Orientkunde unterrichtete und Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur war. Bereits 1950 legte er den Grundstein für ein Langzeitprojekt an der Mainzer Akademie, das Demotische Namenbuch, das unter der Herausgeberschaft seines Schülers Erich Lüddeckens sowie dessen Schüler Heinz J. Thissen von 1980-2000 publiziert wurde. W. Erichsens Standardwerk, Demotisches Glossar, erschien 1954, kurz nachdem er 1953 als Professor nach Kopenhagen berufen worden war.
Von 1953-1963 lehrte Erich LÜDDECKENS (1913-2004) das Fach Ägyptologie in Mainz. Er war 1950 als Mitarbeiter zum Demotischen Namenbuch an die Akademie Mainz gekommen und hatte sich 1953 in Mainz mit einer Arbeit über Ägyptische Eheverträge habilitiert. 1964 wurde er an die Universität Würzburg berufen, wo er den ersten Lehrstuhl mit Schwerpunkt Demotistik bekleidete. 1956 wurde Günther Rudnitzky als erster Kandidat in Mainz im Fach Ägyptologie promoviert. Da die nachfolgenden Mitarbeiter im Mainzer Akademievorhaben "Demotisches Namenbuch" (Heinz J. Thissen, später Günter Vittmann) in Würzburg lebten, war die Verbindung zur Mainzer Universität vorerst beendet.

SoSe 1971 bis SoSe 1977: Ägyptologie im „Seminar für Klassische Philologie”

In den Jahren 1971-1977 war die Ägyptologie im Seminar für Klassische Philologie angesiedelt und wurde von Professor Erich WINTER vertreten, einem Spezialisten für die Inschriften der ptolemäischen Tempel in Ägypten. 1966 fand die Promotion von Karl-Theodor Zauzich statt. Am 24. Juni 1975 wurde er zum C3-Professor und Vorstand der neuen Abteilung Ägytologie ernannt. Zum 1. August 1977 übernahm Erich Winter die C4-Professur an der Universität Trier.

1980-2001 „Seminar für Ägyptologie” bzw. „Institut für Ägyptologie”

Nach Erich Winters Wegberufung war die Ägyptologie in Mainz drei Jahre unbesetzt, bis am 1. Oktober 1980 Karl-Theodor ZAUZICH zum C3-Professor ernannt wurde und ein eigenständiges "Seminar für Ägyptologie" entstand. Bereits am 1. Juli 1981 trat er jedoch die Nachfolge E. Lüddeckens auf dem C4-Lehrstuhl an der Universität Würzburg an.

1982 wurde mit der Berufung von Rolf GUNDLACH eine C4-Professur für Ägyptologie an der JGU eingerichtet. Er verlagerte die bisherigen Forschungsschwerpunkte im Bereich des griechisch-römischen Ägypten auf die "klassischen" Epochen des Alten bis Neuen Reiches und siedelte zwei neue große Themenbereiche in Mainz an: Die ägyptischen Tempel und die ägyptische Königsideologie. In internationaler Kooperation begründete er zwei Tagungsreihen zu diesen Themen, deren Akten in eigenen Reihen herausgegeben werden. R. Gundlach betreute insgesamt 15 Promotionen. Durch eine Umhabilitierung wurde 1993 auch Thomas VON DER WAY Mitglied des Lehrkörpers. Das Fachgebiet erhielt Institutsstatus und zog aus drei Räumen im Philosophicum in drei Wohnungen im Pfeifferweg 5 um. Mitte der 1990er Jahre richtete R. Gundlach an der JGU den Interdisziplinären Arbeitskreis "Nordafrikanisch-Westasiatische Studien" ein, dessen Ziel die Beantragung und Etablierung des Sonderforschungsbereiches 295 war. Unter dem Titel "Kulturelle und sprachliche Kontakte - Prozesse des Wandels in historischen Spannungsfeldern Nordostafrikas/Westasiens" wurde dieser SFB mit der maximalen Laufzeit von zwölf Jahren 1997- 2008 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert (Sprecher: 1997 bis 1998 R. Gundlach, 1999 M. Kropp, 1999 bis 2008 W. Bisang).
Die Lehr- und Forschungstätigkeiten R. Gundlachs brachen nach seiner Pensionierung 1997 nicht ab, er gründete 2004 die Mainzer Reihe „Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen”, initiierte einen Arbeitskreis Militärgeschichte, gab diverse Tagungsbände heraus und publizierte zwei Monographien.

1998 wurde Ursula VERHOEVEN-VAN ELSBERGEN zur Nachfolgerin R. Gundlachs ernannt. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Gebieten der ägyptischen Philologie und Religion, der Totenbuchforschung und der Hieratistik. Im Rahmen des SFB 295 leitete sie unter anderem ein Projekt zur Verehrung der ägyptischen Kindgötter. Durch die Mitarbeit von Dagmar BUDDE ist seit 2000 auch die Ptolemaistik wieder am Institut vertreten.

2002-2013 „Institut für Ägyptologie und Altorientalistik”

2002 schlossen sich die drei Fachgebiete Ägyptologie, Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Archäologie zu einem Institut zusammen.

Seit dem WS 2008/09 existiert ein interdisziplinärer B.A.-Studiengang „Ägyptologie/Altorientalistik” (Kernfach und Beifach), dem ab WS 2010/11 ein entsprechender Master gefolgt ist. In beiden Studiengängen ist Ägyptologie als Schwerpunkt wählbar. Zudem ist die Promotion im Fach Ägyptologie möglich.

Von 2005 bis 2019 erhielten U. Verhoeven und Jochem Kahl (ab 2008, FU Berlin) in Kooperation mit Mahmoud El-Khadragy und anderen Kollegen der Sohag University eine DFG-Langzeitförderung zur Erforschung der Nekropole von Assiut mit regelmäßigen Feldarbeiten. 2006-2008 war Jochem KAHL außerplanmäßiger Professor am Mainzer Fachgebiet, bevor er an die FU Berlin berufen wurde.

Für die Zeit von 2010-2015 erhielt Ursula VERHOEVEN-VAN ELSBERGEN ein Fellowship des Gutenberg Forschungskollegs. Für ihre Vertretung wurde Tanja POMMERENING auf eine W2-Professur berufen.

2010 wurde die "Ägyptologische Studiensammlung Jungnickel" begründet, die Replikate für Anschauungs- und Lehrzwecke beinhaltet und dank Spenden durch Ankäufe regelmäßig erweitert wird.

Zum SoSe 2011 bezog das Institut mit seinen Bibliotheken und Büros neue Räumlichkeiten in der Hegelstr. 59, 1. und 2. Stock, zwei Seminarräume befinden sich im EG.

Seit 2013: Ägyptologie im "Institut für Altertumswissenschaften" (IAW)

Zum 1. Oktober 2013 schlossen sich die Arbeitsbereiche Ägyptologie, Altorientalische Philologie, Klassische Archäologie, Klassische Philologie, Vorderasiatische Archäologie und Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie zum "Institut für Altertumswissenschaften" zusammen. Gleichzeitig startete das Graduiertenkolleg 1876 "Frühe Konzepte von Mensch und Natur" (DFG) (Sprecherin bis 2020: Tanja POMMERENING).

Im Dezember 2013 habilitierte sich Dagmar BUDDE und erhielt die venia legendi für das Fach Ägyptologie.

2014 wurde Tanja POMMERENING auf der Vertretungsprofessur entfristet. Ihre Forschungsgebiete liegen im Bereich der ägyptischen Natur- und Heilkunde, Metrologie, Wissensgeschichte und des Totenkults.

Im April 2015 startete das auf 23 Jahre angelegte Mainzer Akademievorhaben "Altägyptische Kursivschriften", das von Ursula VERHOEVEN-VAN ELSBERGEN geleitet wird und mit der Computerphilologie der TU Darmstadt (Andrea RAPP) kooperiert. Arbeitsstellenleiterin ist Svenja A. GÜLDEN.

2015 kam Alexander ILIN-TOMICH als PostDoc-Humboldt-Stipendiat nach Mainz. 2017-2021 wurde sein Projekt "Umformung und Variabilität im Korpus altägyptischer Personennamen 2055–1550 v. Chr." von der Thyssen-Stiftung gefördert.

2016 bis 2022 leitete Dagmar BUDDE ihr DFG-Projekt  "Das Mammisi von Edfu".

2020 bis 2023 war Aurore MOTTE von der Universität Lüttich/Belgien als PostDoc mit einem Humboldt-Stipendium Gast an der Mainzer Ägyptologie und arbeitete zu ihrem Projekt „The Kemyt: Towards a contextualized view of an Ancient Egyptian literary letter“.

Im Oktober 2020 schlug Tanja POMMERENING den Ruf auf eine W3-Professur in der Mainzer Ägyptologie aus und wurde W3-Professorin für Geschichte der Pharmazie und Medizin an der Philipps-Universität Marburg.

Im April 2021 wurde Monika ZÖLLER-ENGELHARDT zur Akademischen Rätin ernannt.

Im Juli 2021 wurde Dagmar BUDDE der Titel "Außerplanmäßige Professorin" verliehen.

Seit August 2021 leitet Alexander ILIN-TOMICH sein Projekt  "Altägyptische Titel in amtlichen und familiären Kontexten, 2055-1352 v. Chr.", das von der Thyssen-Stiftung gefördert wird.

Im Juni 2022 habilitierte sich Alexander ILIN-TOMICH und erhielt die venia legendi für das Fach Ägyptologie.

Von Juli 2022 bis Juni 2024 arbeitet Dr. (A. Yu. Krymsky Institute of Oriental Studies, National Academy of Sciences of Ukraine) Olena ROMANOVA an ihrem Forschungsprojekt "The Adoration Gesture" in Mainz im Rahmen des Gastforschungsprogramm für geflohene ukrainische Wissenschaftler:innen der Volkswagenstiftung.

Im Juli 2022 startete das interdisziplinäre Projekt "Ancient Sciences Innovation Lab (ASIL)" unter Leitung von Monika ZÖLLER-ENGELHARDT und der Lernarchitekturagentin Simone GERHARDS, das eine neue Lehr-Lern-Raum-Gestaltung und eine moderne multimediale Ausstattung in den Seminarräumen und dem Foyer der Hegelstr. 59 ermöglichte. Eingeworben wurde das Projekt in der Förderinitiative "Raumlabore" des Stifterverbands und der Dieter-Schwarz-Stiftung.

Zum 31.03.2023 wurde Ursula VERHOEVEN-VAN ELSBERGEN pensioniert. Für den Zeitraum von April 2023 bis März 2025 erhielt sie von der JGU Mainz eine Seniorforschungsprofessur.

Im Mai 2024 wurde Monika ZÖLLER-ENGELHARDT zur akademischen Oberrätin befördert.

Ab dem SoSe 2024 erfolgt das Studium der Ägyptologie im neuen Verbundstudiengang "B.A. Archäologien und Philologien in den Altertumswissenschaften (ALPHA)", dem ein entsprechender Masterstudiengang folgen wird.

Zum 01.07.2024 wurde Kathrin GABLER zur Nachfolgerin U. Verhoeven-van Elsbergens als Professorin für Ägyptologie im Institut für Altertumswissenschaften berufen. Ihre Schwerpunkte liegen. Ihre Forschungsinteressen reichen von Sozial- und Wirtschaftsgeschichte über Prosopographie bis hin zu Materialstudien und "Objektbiographien". Ihre Schwerpunkte umfassen das Neue Reich/die späte Bronzezeit, hieratische Texte und die Arbeitersiedlung Deir el-Medine. Nach dem Studium der Ägyptologie, Klassischen Archäologie und Religionswissenschaft in München und Leiden war sie bis 2022 als wissenschaftliche Assistentin am Fachbereich Ägyptologie an der Universität Basel tätig, wo sie auch als Postdoktorandin im Projekt Crossing Boundaries forschte und zusammen mit dem Institut français d’archéologie orientale (Ifao Cairo) das Projekt zu TT 217 initiierte. Im Anschluss hatte sie eine Vertretungsprofessur an der Universität Kopenhagen inne. Derzeit ist Kathrin Gabler wissenschaftliche Referentin am Deutschen Archäologischen Institut, Abteilung Kairo (DAIK), wo sie die Fotothek und das Deutsche Haus Theben leitet, welches in Zukunft kooperativ zwischen DAIK und JGU Mainz koordiniert wird.