Tierische Unterstützung

Ägyptische Tierfiguren in Grab und Tempel

von Svenja Stern, B. A.

Diese kleine digitale Ausstellung „Tierische Unterstützung – Ägyptische Tierfiguren in Grab und Tempel“ entstand im Rahmen eines zweiwöchigen Praktikums im Sommersemester 2021 im Arbeitsbereich Ägyptologie unter Betreuung von Dr. Monika Zöller-Engelhardt. Alle vorgestellten Objekte stammen aus der ägyptologischen „Studiensammlung Jungnickel“ und stellen Abgüsse von Originalen der ägyptischen Sammlung der Berliner Museen aus der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin dar. Die ausgewählten Stücke zeigen rundplastische Tierfiguren, von denen die meisten Objekte aus dem Grabkontext stammen und eines vermutlich als Votivgabe im Tempel (Ichneumon) diente. Die virtuelle Präsentation eröffnet einen Zugang zu den Stücken, der durch die momentan eingeschränkte Situation in Präsenz nicht möglich ist. Ziel der virtuellen Ausstellung ist es, die Vielfalt der ägyptischen Tierplastik und ihre ursprüngliche Funktion zu veranschaulichen.

Die drei ersten Objekte bestehen im Original alle aus bemalter Fayence und datieren in das Mittlere Reich (ca. 1938-1759 v. Chr.). Sie wurden in Ägypten angekauft, daher ist der Fundort bei allen dreien unklar. Anhand von Vergleichsstücken kann man sie jedoch dem funerären Kontext zuweisen. Solche Fayence-Statuetten wurden dem Verstorbenen mitgegeben, um ihn auf seinem Weg ins Jenseits zu unterstützen. Deshalb zeigen die Figuren solche Tiere, die als Symbole für Gefahrenabwehr, Fruchtbarkeit, Regeneration oder Wiedergeburt gelten. Dazu gehören – neben Nilpferden, Igeln und Mäusen – auch Hasen, Affen, Hunde, Frösche und Kälber.

Igel, Nilpferd und Maus in der Studiensammlung der Ägyptologie (Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt)

ÄG 40 – Figur eines Nilpferds

Gipsabguss von: Berlin ÄM 13890

Datierung: Mittleres Reich (ca. 1938-1759 v. Chr.)

Material: Fayence

Herkunft: Ägypten; Fundort: unbekannt

Maße (Gipsabguss): 8,5 x 9,8 x 7,1 cm


Foto: S. Gerhards

Foto: S. Gerhards

Die Fayence-Figur zeigt ein Nilpferd mit zur Seite gedrehtem Kopf und geöffnetem Maul, das mit seinen Hinterbeinen auf dem Boden liegt, während die Vorderbeine stehen, als würde es sich gerade erheben. Der Körper ist mit floralen Motiven bemalt – besonders Lotusblüten und -knospen, die den Lebensraum des Tiers wiedergeben. Das Nilpferd ist unter den Tierdarstellungen aus Fayence am häufigsten vertreten und mit verschiedenen Körperhaltungen belegt, wobei diejenige mit aufgerissenem Maul seltener vorkommt. Es ist schwer zu sagen, ob das Tier brüllend oder gähnend dargestellt ist. Die Figur verkörpert den lebenspendenden Nil bzw. den Urozean, aus dem alles Leben entstanden ist. Deshalb ist das Nilpferd ein Symbol für Fruchtbarkeit und Regeneration. Das bedrohlich aufgerissene Maul hat zusätzlich eine apotropäische Bedeutung.

Literatur

  • Kaiser, Werner, Ägyptisches Museum Berlin, Berlin 1967.
  • Settgast, Jürgen, Ägyptisches Museum Berlin, Mainz, 1986.
  • Wildung, Dietrich, Ägyptische Kunst in Berlin. Meisterwerke im Bodemuseum und in Charlottenburg, Mainz 1999.
  • Wildung, Dietrich, Tierbilder und Tierzeichen im Alten Ägypten, Berlin 2011.

ÄG 48 – Figur eines Igels

Gipsabguss von: Berlin ÄM 10250

Datierung: Mittleres Reich

Herkunft: Ägypten, vermutlich Theben

Material: Fayence

Ankauf: 1896 in Ägypten erworben

Maße (Gipsabguss): H. 4,8 x B. 9,1 x T. 5,2 cm


Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt

Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt

Die Fayence-Figur des Igels diente als Grabbeigabe, um den Verstorbenen vor Gefahr zu schützen und sein ewiges Leben zu ermöglichen. Zum Abwehren von Feinden dienen die Stacheln, die den Igel fast unüberwindbar machen. Zudem besitzen Igel eine hohe Resistenz gegen Gift. Die Eigenschaft der Todesüberwindung wollte der Verstorbene auf sich übertragen. Die Fähigkeit des Erwachens aus einer längeren Schlafperiode macht den Igel zusätzlich zum Symbol der Wiedergeburt. In Ägypten kommen der Ohren- und der Wüstenigel vor. Sie sind in den Halbwüsten anzutreffen, die wenig bewachsen sind. Igel treten häufig in der ägyptischen Kunst auf, meist als Darstellung an Grabwänden: Jagddarstellungen zeigen ihn als Wüstentier, Schiffsdarstellungen im Alten Reich als Zier des Bugs.

Literatur

  • Arnst, Caris-Beatrice, in: Karl-Heinz Priese (Hg.), Ägyptisches Museum, Mainz 1991, 250.
  • Droste, Vera von, Igel, in: Wolfgang Helck / Wolfhart Westendorf (Hgg.), Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden 1980, Sp. 123.
  • Droste, Vera von, Der Igel im alten Ägypten, Hildesheimer ägyptologische Beiträge 11, Hildesheim 1980.
  • Kaiser, Werner, Ägyptisches Museum Berlin, Berlin 1967.
  • Settgast, Jürgen, Ägyptisches Museum Berlin, Mainz 31986.

ÄG 49 – Figur einer knabbernden Maus

Gipsabguss von: Berlin ÄM 14976

Datierung: Mittleres Reich

Material: Fayence

Herkunft: Ägypten, Fundort unbekannt

Maße (Gipsabguss): 4,2 x 5 x 2,8 cm


Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt

Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt

Diese kleine Figur zeigt eine auf den Hinterbeinen stehende Maus, deren Körper leicht nach vorn geneigt ist. Ihre Vorderpfoten sind zum Mund erhoben, möglicherweise knabbernd. Mäuse waren in Ägypten sehr verbreitet und wurden eigentlich als Plage betrachtet. Andererseits wurde den Mäusen ein zutrauliches und niedliches Wesen zugeschrieben. In Darstellungen besonders in Papyri und auf Ostraka wurden sie gerne in für sie untypischen Handlungen gezeigt, beispielsweise beim Boxkampf mit einer Katze oder beim Wagenlenken. Wie das Nilpferd und der Igel fungierte auch diese Fayence-Figur im Mittleren Reich als Grabbeigabe. Aufgrund ihrer Anzahl und Vermehrungsfreude – Mäuse bekommen mehrmals im Jahr Nachwuchs – symbolisierte die Maus vermutlich Fruchtbarkeit.

Literatur

  • Brunner-Traut, Emma, Maus, in: Wolfgang Helck / Wolfhart Westendorf (Hgg.), Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden 1980, Sp. 1250-52.
  • Kaiser, Werner, Ägyptisches Museum Berlin, Berlin 1967.
  • Wildung, Dietrich, Tierbilder und Tierzeichen im Alten Ägypten, Berlin 2011.

ÄG 46 – Gefäß in Form eines liegenden Kamels oder Dromedars

Gipsabguss von: Berlin ÄM 18593

Datierung: mögl. 1.-2. Dynastie

Herkunft: Abusir, Grab 58 c 4 (Grabungsleitung: Georg Möller)

Material: Kalkstein

Maße (Gipsabguss): 6,4 x 11 x 5,4 cm


Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt

Foto: S. Stern/M. Zöller-Engelhardt

Dieses schöne Gefäß zeigt ein Kamel oder Dromedar, das auf dem Boden liegt. Die beiden Kamelformen unterscheiden sich durch die Anzahl ihrer Höcker, die beim Gefäß nicht erkennbar sind. Man fand das Gefäß in einem Grab in Abusir, zusammen mit anderen Gefäßen und Objekten aus Vorderasien. Das Gefäß datiert – aufgrund seines Fundkontextes – in die Frühzeit, dieser Befund steht allerdings im Widerspruch zu den ansonsten deutlich späteren Belegen des Tieres in Ägypten. Aus pharaonischer Zeit sind kaum Kameldarstellungen oder inschriftliche Belege bekannt. Der erste sichere Beleg stammt aus dem Neuen Reich und stellt eine Ritzung auf einer Schale dar. Physisch lassen sich Kamele in Ägypten sicher ab dem 7. Jhd. v. Chr. nachweisen, als sie von assyrischen Streitkräften eingeführt wurden. Dieses Gefäß, seltene Knochenfunde und andere Objekte scheinen Anhaltspunkte für das deutlich frühere Auftreten von Kamelen in Ägypten zu bieten, zu einem Zeitpunkt, bevor sie domestiziert wurden. Das Kamel gewann in Ägypten vermutlich erst spät an Bedeutung, da als Transportweg hauptsächlich der Nil diente, und zu Land vorrangig Esel als Lasttiere verwendet wurden.

Literatur

  • Budka, Julia, Das einhöckrige Kamel in Ägypten und im Sudan, in: Veit Vaelske (Hg.), Ägypten.  Ein Tempel der Tiere, Berlin 2006, 45-47.
  • Kuhn, Robert, Ägyptens Aufbruch in die Geschichte. Frühe (Kultur-)Technologien im Niltal – Highlights aus dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung Berlin, Wiesbaden 2015, 54-55.
  • Midant-Reynes, Beatrix / Braunstein-Silvestre, Florence, in: Wolfgang Helck / Wolfhart Westendorf (Hgg.), Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden 1980, s. v. Kamel, Sp. 304-05.
  • Walz, Reinhard, Neue Untersuchungen zum Domestikationsproblem der altweltlichen Kameliden, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 104, NF 29, 1954, 45-87.

ÄG 10 – Figur eines Ichneumons

Gipsabguss: Berlin ÄM 13145

Datierung: Spätzeit

Material: Bronze

Herkunft: Ägypten, Fundort unbekannt

Maße (Gipsabguss): 26,6 x 7,5 x 10 cm

Foto: T. Hartmann, JGU Mainz

Foto: T. Hartmann, JGU Mainz

Diese Statuette zeigt ein aufrechtstehendes Tier männlichen Geschlechts, die Vorderpfoten vor den Körper haltend und bekrönt mit Sonnenscheibe und Uräus. Bei dem Tier handelt es sich um ein Ichneumon (griech. für Aufspürer). Teilweise wurde in der Forschung vermutet, dass es sich bei dieser Figur um die Darstellung eines Otters handeln könnte. Diese Identifizierung basierte einerseits auf der äußerlichen Ähnlichkeit der beiden Tiere und andererseits auf einer Darstellung im Grab des Mereruka und des Hesi, in der ein solches Tier zusammen mit einem Fisch gezeigt wird. Da Otter – im Gegensatz zum Ichneumon, das auf französisch „Pharaonenratte“ (rat de pharaons) heißt – für die pharaonische Zeit in Ägypten nicht belegt sind und Ichneumons ebenfalls Fisch jagen, ist es unwahrscheinlich, dass es sich bei den Grabszenen um Fischotter handelt. Die Interpretation dieser spätzeitlichen Bronzestatuetten basiert ebenfalls auf den beiden fragwürdigen Vergleichen. Die Figur verkörpert vielmehr die Schlangengöttin Uto, welche in der zweizeiligen Inschrift auf der Statuenbasis – mit dem Wunsch nach ewigem Leben – angesprochen wird. Damit übernimmt das Tier ihre Rolle des Sonnenauges, das die Feinde vernichtet. In einer Version des Mythos vom Sonnenauge bezwingt das Ichneumon eine Schlange. Auch in der Natur ist das Ichneumon tatsächlich als Bezwinger von Schlangen bekannt.

Literatur

  • Brunner-Traut, Emma, Ägyptische Mythen im Physiologus, in: Wolfgang Helck (Hg.), Festschrift für Siegfried Schott zu seinem 70. Geburtstag, Wiesbaden 1968, 13-44.
  • Evans, Linda, Otter or Mongoose? Chewing over the Eidence in Wall Scenes, in: Alexandra Woods u. a. (Hgg.), Egyptian Culture and Society. Studies in Honour of Naguib Kanawati, Supplément aux Annales du Service des Antiquités de L’Égypte 38, Kairo 2010, 119-130.
  • Osborn, Dale, The Mammals of Ancient Egypt, The Natural History of Egypt 4, Warminster 1990.
  • Roeder, Günther, Ägyptische Bronzefiguren, Mitteilung aus der Ägyptischen Sammlung 6, Berlin 1956.

Studiensammlung Jungnickel, Arbeitsbereich Ägyptologie

Die Ägyptologische Studiensammlung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz umfasst derzeit mehr als 50 zertifizierte, teils großformatige Gipsabgüsse, die nach dem Vorbild altägyptischer Originale erstellt und bemalt sind. Die vorhandenen Reliefs, Stelen und Statuetten, Gefäße, Amulette und Werke der Kleinplastik decken den Zeitraum von ca. 2.500-200 v. Chr. ab.

Schwerpunkte liegen auf dem Alten Reich (Grabrelief mit Geflügelzucht, Schreiberstatue), königlichen Bildwerken aus dem Neuen Reich (Echnaton und Nofretete, Sethos I.) und tier- oder menschengestaltigen Götterfiguren aus der Spätzeit.

Zweck der Sammlung ist, Studierende und Interessierte im wissenschaftlichen Umgang mit dreidimensionalen Objekten und hieroglyphischen Originaltexten vertraut zu machen.

Die Abgüsse stammen größtenteils aus der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin und werden großzügigerweise vom Freundeskreis Ägyptologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz e. V. durch zweckgebundene Spenden von Ulrike Jungnickel, M. A. finanziert. Die Sammlung trägt daher ihren Namen.